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web - Los Bürger, werde gesund!

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"Gesundheitsriskante Lebensstile" sollen durch Anreizsysteme auch wirtschaftlich riskant und kulturell geächtet werden. Werden besondere Belastungen wie beruflicher Disstress doch einmal Thema, dann wird ihre Bewältigung zur individuellen Aufgabe umgedeutet - bei Bedarf eventuell mit professioneller psychologischer oder sozialarbeiterischer Unterstützung. Gegen Krebs empfiehlt die Prävention gesunde Ernährung, gegen Stress im Job Yoga nach Feierabend.

Aber wie vermeidet man eine feuchte Wohnung an einer Hauptverkehrsstraße und eine Stelle an der Supermarktkasse? Wer betreibt nach der Nachtschicht "Ausgleichsport"? Die Gesundheitswissenschaftlerin Bettina Schmidt spricht in diesem Zusammenhang von einer "Gesundheitsüberforderung": "Besonders jene Menschen werden zur Übernahme von persönlicher Verantwortung aufgefordert, die über die geringste Gestaltungsmacht für die eigene Gesundheit verfügen."

Aussagekräftig ist das neue Präventionsgesetz vor allem durch seine Lücken - durch das, was in ihm fehlt. Obwohl viel von individueller Kompetenz und Lebenswelten wie Betrieb oder Schule die Rede ist, zielen die Maßnahmen allesamt auf individuelle Verhaltensänderung und noch frühere medizinische Einflussnahme. Zwar sollen Versicherte "mit besonderen beruflichen oder familiären Belastungen … beispielsweise Beschäftigte in Schichtarbeit oder pflegende Angehörige" etwas leichter Zugang zu Kuraufenthalten bekommen - von finanzieller Unterstützung oder einer Einschränkung der masssiv gesundheitsschädlichen Nachtarbeit, die seit zwei Jahrzehnten zunimmt und gesetztlich seit 1992 dereguliert wurde, ist dagegen keine Rede. Kurz, die gesundheitliche Vorbeugung nimmt Gesundheitsschäden widerspruchslos hin, sofern sie nicht in das Schema der "Eigenverantwortung" passen.
Wirksame Prävention funktioniert aber am besten als Infrastruktur: Wohngegenden, Bildungseinrichtungen und Arbeitsverhältnisse, die nicht krank machen.

Quelle

Sehr schöner Artikel. Pro Versicherten sieben Euro im Jahr, diese Zahl wird wohl sonst nicht kommuniziert werden. Dann doch lieber die mächtig Eindruck schindende Zahl von 500 Millionen Euro. Schade, dass die Probleme offensichtlich wieder auf die einzelne Person abgewälzt wird - passt leider zu gut ins heutige Bild. Wie Herr Becker zum Schluss schon schreibt, einfach das Leben der Menschen besser machen (Wohnung, Bildung und finanzielle Grundversorgung) und schon würde es gesündere Menschen geben. Auch eine eindeutige Kennzeichnung was so alles drin ist, in den Lebensmitteln, würde helfen - aber da hat die "Ernährungsbranche" wieder etwas dagegen.
So scheint es mir, als würde man versuchen das Denkmuster "Du bist krank? Daran bist du aber selber schuld!" zu etablieren. Und wer schon selbst Schuld hat, der braucht eigentlich auch keine finanzielle Unterstützung - hätte man sich ja vorher ausrechnen können, dass 40 Jahre Mauer doof für den Rücken ist. Meine Krankenkasse lacht mich immer aus, wenn ich Nachfrage ob ich das Fitnessstudio bei denen Einrechen darf.

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